Julia Goth hat, wie sie sagt, »ganz normal am Gymnasium maturiert«, kurz danach eine einjährige Ausbildung in einer Sprachschule absolviert und dann begonnen in der oberösterreichischen Stadt Linz Jus zu studieren. Kurz vor ihrem Abschluss hat sie bereits in jener Kanzlei ein Praktikum gemacht, in der sie jetzt Partnerin ist und deren offenes Arbeitsklima sie nach wie vor sehr schätzt. Wir haben uns mit der energiegeladenen Anwältin unterhalten.

Vom Praktikum zur Partnerin. Wie kam das?

Kurz vor dem Abschluss meines Jus-Studiums konnte ich bei Haslinger / Nagele das »Practice4Jus«-Programm absolvieren. Hier wird Studierenden, die sich schon in der Schlussphase ihres Studiums befinden, die Möglichkeit geboten, ein dreimonatiges Praktikum zu machen. Weil durch das Studium ja schon entsprechendes Know-how vorhanden ist, können die Praktikant*innen auch schon gut in den Arbeitsalltag einbezogen werden. Ich war vom Arbeitsklima und den Aufgaben und Herausforderungen so begeistert, dass ich direkt nach dem Studium die Gerichtspraxis gemacht und mich dann sofort wieder bei Haslinger / Nagele beworben habe. Direkt nach dem Gerichtspraktikum bin ich dann als Konzipientin bei Haslinger / Nagele eingestiegen. Seit 2017 bin ich hier Partnerin und Anwältin.

Würden Sie sagen, dass Sie in einer männerdominierten Branche arbeiten? Hatten Sie schon einmal das Gefühl, dass Sie als Frau mehr leisten mussten als Ihre männlichen Kollegen?

Meiner Ansicht nach ist gerade das Finanz- und Wirtschaftsrecht schon immer noch stark männlich dominiert. Das wird auch dann gut erkennbar, wenn man sich die Statistiken ansieht. Zwar sind rund 60 Prozent der Studierenden weiblich und auch bei den Absolvent*innen und Rechtsanwaltsanwärter*innen ist das Verhältnis noch ausgeglichen, allerdings geht bei den Anwält*innen die Schere dann sehr deutlich auf. Nur ein Viertel der eingetragenen Anwälte sind Frauen. Deshalb freut es mich umso mehr, dass es bei uns in der Kanzlei fast 30 Prozent sind. Diese Zahl ist vor allem in den letzten Jahren stark gestiegen. Ich glaube deshalb, dass die Frage nicht sein sollte, ob man sich als Frau mehr bemühen muss, sondern, dass die Rahmenbedingungen stimmen müssen. Es ist ein Beruf, der einem sehr viel Zeit, Mühe und Engagement abverlangt und ich glaube, dass es immer noch schwierig ist, diesen Job mit der Familie zu vereinbaren. Dass mich schon einmal jemand weniger ernst genommen hätte, bloß weil ich eine Frau bin, hätte ich so nie mitbekommen. Obwohl ich bei Vertragsverhandlungen oft die einzige Frau im Raum bin.

Also mussten Sie sich noch nie in überdurchschnittlichem Ausmaß beweisen?

Manchmal kann es schon vorkommen, dass ein Mandant, der über sehr lange Zeit von einem erfahrenen Senior Partner betreut wurde, eigentlich auch weiterhin von diesem erfahreneren Kollegen betreut werden möchte. In diesen Situationen muss man sich als junge Anwältin schon beweisen und zeigen, dass man fachlich gut ist. Das funktioniert in der Regel aber auch sehr gut. Wenn man das Vertrauen erstmal gewonnen hat, spielt aber auch das Alter keine Rolle mehr. Das gilt natürlich für Mann und Frau gleichermaßen.

»Wir sehen, dass unser internes Lösungssystem bereits Wellen geschlagen hat. Auch einen Women in Law-Award haben wir schon dafür bekommen«

Sie haben das offene Arbeitsklima in Ihrer Kanzlei bereits erwähnt. Wie wird Diversität bei Haslinger / Nagele sonst noch gelebt?

Unser Team ist sehr divers, in dem Sinn, dass hier nicht nur Jung und Alt, sondern eben auch Männer und Frauen erfolgreich zusammenarbeiten. Und es werden immer mehr Frauen. Wir versuchen aber auch ganz bewusst Anreize zu schaffen, um Frauen in der Anwaltschaft zu fördern. Zum Beispiel durch unser Karenzmodell. Allerdings sind beispielsweise in der Rechtsanwaltskammer Frauen noch sehr spärlich vertreten. Das liegt unter anderem auch daran, dass es für Frauen oft auch nur wenige Anreize gibt, in der Karenz die Anwaltschaft aufrecht zu erhalten. Wir versuchen das bei uns in der Kanzlei intern auszugleichen und bestärken die Frauen darin, auch während der Karenz ihre Karriere voranzutreiben. Zum Beispiel durch flexible Arbeitszeitgestaltung und Homeoffice. Wir gehen das sehr individuell an, gerade wenn es um die Arbeitszeiten geht. Wichtig ist uns auch, dass sich die Frauen nach der Geburt auch wirklich zurücknehmen können, ohne dass damit gleich der sogenannte Karriereknick verbunden ist. Erfreulicherweise sehen wir auch, dass unser internes Lösungssystem bereits Wellen geschlagen hat. So haben wir zum Beispiel einen Women in Law-Award dafür bekommen. Bei größeren Projekten schauen wir außerdem auch darauf, dass Senior Partner*innen mit jüngeren Mitarbeiter*innen zusammenarbeiten und natürlich auch Männer mit Frauen gemeinsam an Fällen arbeiten. Der Gedankenaustausch bringt sehr viel und führt immer auch zu einer Kreativitätssteigerung beim jeweiligen Fall.

Wenn jüngere und ältere Mitarbeiter*innen zusammenarbeiten, ergibt sich dadurch auch immer ein Wechselspiel aus Erfahrung und Innovation. Erleben Sie das auch?

Genau dieses Wechselspiel ist bei uns von großer Bedeutung. Vor allem bei Fällen, in denen es um Vertragsverhandlungen und Gerichtsverhandlungen geht, finde ich es schon sehr wichtig, auch einen erfahrenen Kollegen oder eine erfahrene Kollegin dabei zu haben. Und immer zu wissen, wen man um Rat fragen kann. Natürlich ist es essentiell, fachlich gut zu sein und auf dem neuesten Stand zu bleiben, aber gerade wenn es um das Zusammenspiel von Kompetenz und Menschenkenntnis geht, finde ich es sehr wertvoll, wenn man sich beratschlagen kann. Wenn es Kolleg*innen gibt, die die Erfahrungskiste für einen öffnen.

Wie sieht es bei Haslinger / Nagele mit dem Thema Weiterbildung aus? Ist Ihnen persönlich das Thema ein Anliegen?

Ich möchte vor allem in meinen Bereichen, also im Gesellschaftsrecht und im Transaktionsrecht, immer am neuesten Stand sein. Glücklicherweise wird in unserer Kanzlei ein hoher Stellenwert auf die Weiterbildung gelegt und es gibt diverse Möglichkeiten sich weiterzubilden, wie zum Beispiel unsere interne HN-Academy als auch die Teilnahme an externen Seminaren. Weil unsere Felder so vielschichtig sind, begegnen uns aber bei jedem einzelnen Fall neue Herausforderungen und wir lernen etwas dazu. Die Weiterbildung erfolgt also auch dadurch.

»Mir imponieren Menschen, die ein Ziel vor Augen haben und dieses dann mit Engagement verfolgen.«

Welche Rolle spielen Vorbilder in Ihrem Leben?

Mir imponieren Menschen, die ein Ziel vor Augen haben, dieses dann mit Engagement verfolgen und ihr Vorhaben durchziehen. Das können Frauen, aber auch Männer sein. Beeindruckend finde ich zum Beispiel Juliane Kokott. Sie ist erst die dritte Generalanwältin beim EuGH. Oder auch Ursula von der Leyen, die als erste Kommissionspräsidenten gewählt wurde und Familie hat. Das sind beeindruckende Lebensläufe, die ich aber auch bei meinen Kolleginnen sehe. Diesen Frauen in meiner direkten Umgebung gelingt es, ihre doch sehr zeitintensive Arbeit und ihre Familien unter einen Hut zu bringen. Das imponiert mir. Auch, dass sie es einfach tun, ohne lange darüber zu reden oder nur die Beschränkungen zu sehen. Sondern einfach sagen, dass sie das jetzt machen.

Welchen Rat würden Sie gerne an junge Kolleg*innen weitergeben?

Ich denke, dass es das Wichtigste ist, mit Engagement und Freude an eine Sache heranzugehen und zu versuchen, die eigenen Ziele zu verfolgen. Das mag in manchen Branchen schwieriger sein als in anderen, aber ich habe damit nur positive Erfahrungen gemacht und glücklicherweise auch noch nie das Gefühl gehabt als Frau weniger wahrgenommen zu werden. Insofern bin ich auch der festen Überzeugung, dass wenn man fachlich etwas kann, beharrlich bleibt und auch auf der menschlichen Ebene angenehm ist, die Geschlechterfrage gar keine so große Rolle mehr spielt.