SHE: In der Wirtschaft ist es ja leider immer noch so, dass Leistungen von Frauen weniger wahrgenommen werden als die von Männern. Wie ist das in der Kunst?

Tanja Prušnik: Ich merke schon, dass es in der Kunst auch so ist, glaube aber, dass sich das leider immer noch durch fast alle Branchen zieht. Ausnahmen gibt es zwar, aber nur sehr wenige. Und natürlich ist das immer auch eng mit den Einkünften verbunden, die bei Frauen, wiederum in fast allen Branchen, meist niedriger ausfallen. Im Kunstbereich betrifft es darüber hinaus natürlich auch ganz stark die Relevanz. Ich denke da zum Beispiel an Ausstellungstätigkeiten und schüttle oft den Kopf darüber, was Frauen teilweise alles leisten müssen, um überhaupt wahrgenommen zu werden. Ich hatte vor kurzem ein Podiumsgespräch mit Felicitas Thun-Hohenstein und habe sie im Zuge dessen auch gefragt, ob es tatsächlich so ist, dass Frauen in der Kunst immer noch kämpfen müssen. Und auch sie hat das ganz klar mit Ja beantwortet. Wir kämpfen immer noch dagegen an, uns immer wieder hinten einreihen müssen.

Sie kommen ja ursprünglich aus der Architektur. Nun ist es mittlerweile so, dass selbst auf der TU mehr Frauen als Männer ein Architekturstudium beginnen, man später aber immer noch mehr Männer sieht. Woran liegt das?

Das ist tatsächlich ein interessantes Phänomen. In künstlerischen Fächern haben wir bei den Studienanfänger*innen häufig genauso viele Frauen wie Männer und teilweise sogar schon einen kleinen Überhang an weiblichen Studierenden. Das ist zum Beispiel in der Architektur so, von der ich ja auch herkomme. Auch die Zahl derer, die ihr Studium abschließen, ist noch recht ausgewogen. Dann beginnt das Arbeitsleben und man kommt in eine Art Arbeitssog, der sich mit Familie in der Regel nur schwer vereinen lässt. Und genau an diesem Punkt passiert es dann häufig, dass die Familie einen so großen Stellenwert einnimmt, dass sich die Frauen immer mehr zurückziehen und dann gar nicht mehr wirklich in die vorderen Reihen nachstoßen können. Die ist dann schon von Männern besetzt. In diesem Zusammenhang kann auch beobachtet werden, dass Frauen in der Kunst zwar ihren Status haben, weil sie ihr Können schon längst unter Beweis gestellt haben und anerkannt sind, es aber für sie dennoch wirtschaftlich schwierig ist. Erfolg und Einkommen passen dann nicht mehr ganz zusammen. Allerdings muss an dieser Stelle natürlich gesagt werden, dass es in der Kunst für die allerwenigsten einfach ist. Es ist immer noch ein Beruf, der mit sehr viel Idealismus und dadurch auch mit sehr viel Bescheidenheit verbunden ist.

©Stefan Reichmann

Fair Pay ist ihnen ja ein sehr großes Anliegen. Hat sich da im letzten Jahrzehnt etwas verändert? Vielleicht sogar in eine positive Richtung?

Auch weil ich ganz einfach ein positiver und vorausblickender Mensch bin, würde ich schon sagen, dass sich die Dinge zum Positiven verändert haben. Aber es sind Veränderungen der kleinen Schritte. Nach wie vor kann beobachtet werde, dass Künstler*innen zwar eingeladen werden Ausstellungen zu machen, ein bisschen provokativ formuliert zum Beispiel als »Beiwerk« zu einer Veranstaltung, die Ausstellung aber nicht monetär abgegolten wird. Obwohl eine Arbeitsleistung erbracht wurde. Dagegen kämpfe ich an, das muss verändert werden. Wie jede andere Arbeitsleitung muss auch diese als solche anerkannt und deshalb auch entlohnt werden. Hier braucht es einfach noch große Veränderungen in der Wahrnehmung. Die Möglichkeit einer solchen Ausstellung bedeutet nämlich nicht, dass auch tatsächlich etwas gekauft wird. Nicht immer geht eine Ausstellung mit Ankäufen einher.

Genau das ist aber vermutlich die Argumentationsstrategie. Im Sinne von »Sie dürfen ausstellen, dafür verkaufen Sie ja auch etwas.« Ist das so?

Ja, genau. Nur leider ist das ganz oft ein Trugschluss, weil es auch stark darauf ankommt, wie die Künstlerin oder der Künstler arbeitet. Es gibt Arbeiten, die leichter gekauft werden, andere passen aufgrund ihrer Konstellation eher in den musealen Bereich. Und auch hier ist es natürlich so, dass es nicht ständig Ankäufe gibt. Wenn eine Arbeit für ein Museum angekauft wird, ist das oft eine einmalige Sache.

Mit Ihnen hat das Künstlerhaus nun erstmals eine Frau an der Spitze. Glauben Sie, dass dadurch ein Zeichen gesetzt wurde, dem auch ein gewisser Vorbildcharakter anhaftet?

Es sollte natürlich längst kein Zeichen mehr, sondern eine Selbstverständlichkeit sein. Interessant ist trotzdem, dass es für das Künstlerhaus ein historischer Moment ist. Und das, obwohl wir doch so gerne glauben, dass gerade die Künstlerinnen und Künstler sehr offen sind. Tatsächlich hat es aber auch schon sehr lange gedauert, bis das Künstlerhaus überhaupt die ersten Frauen aufgenommen hat. Und jetzt steht endlich eine Frau an der Spitze. Glücklicherweise gibt es aber bereits viele Institutionen, wo Frauen voranschreiten und Vordenkerinnen sind. Hier hat mit Sicherheit ein großes Umdenken stattgefunden, das dazu geführt hat, dass Frauen gerade in Kunstinstitutionen einen annähernd ähnlichen Stellenwert haben wie ihre männlichen Kollegen. Im österreichischen Kulturmanagement hat sich die Realität, so scheint es, zugunsten der Frauen tatsächlich gewandelt. Hier geben sie den Ton an. Das ist schon beachtlich und wahrscheinlich ein Alleinstellungsmerkmal. Ebenso auf der Wiener Kulturebene: Kunsthalle, Kunsthaus, Jüdisches Museum, die meisten mittleren Theater- und Tanzbetriebe sind überwiegend von weiblicher Hand geführt. Das zieht sich durch die Kunstsektionen und Beiräte weiter durch. Ich finde das schon beachtlich! Kunst und Kultur als Vorreiterinnen.

Allerdings erleben wir immer wieder, auf welche Weise trotzdem noch mit Frauen umgegangen wird. Die Geschichte rund um das KHM und Sabine Haag ist mit Sicherheit ein aktuelles Beispiel dafür. Auf der anderen Seite war gerade bei dieser Geschichte erneut der Einsatz gut sichtbar, den Frauen für eine Sache zu bringen bereit sind. Ich glaube, dass eine große Portion Idealismus und der Wunsch etwas zu machen, das einen auch tatsächlich ausfüllt, hier wichtige Schlüsselfaktoren sind. Karriere im Kunst- und Kulturbereich zu machen, ist für viele Frauen aber auch deshalb oft eine große Challenge, weil es sehr schwierig sein kann, die Familie und den eigenen – oft schwierigen – Karriereweg unter einen Hut zu bringen.

Und einmalige Karrieremöglichkeiten zugunsten der Familie abgelehnt werden?

Ich glaube, dass hier gerade ein großes Umdenken stattfindet und Frauen immer stärker solche Gelegenheiten ergreifen. Auch bei mir war es so, dass ich mir natürlich die Frage stellen musste, ob ich kandidieren und die Präsidentschaft annehmen soll. Ich habe dieses Thema mit meiner Familie beraten und wir haben uns gemeinsam überlegt, wie wir es am besten anstellen, dass ich diese Chance auf keinen Fall verpasse. Ich habe zwei Kinder, die 10 und 13 Jahre alt sind, und es ist schon eine herausfordernde Zeit. Gerade in der Kunst und Kultur arbeiten wir tagsüber und sollten am Abend dann noch Veranstaltungen besuchen. Hier die Zeiten gut zu steuern, ist also eine doppelte Herausforderung.

Sie sind ja schon seit längerer Zeit eng mit dem Künstlerhaus verbunden. Was schätzen sie am Künstlerhaus besonders?

Ich glaube, dass die größte Stärke der Gesellschaft die Vielzahl und Vielfältigkeit ihrer Mitglieder ist. Es ist eine der ältesten Künstler*innenvereinigungen Österreichs, aus der heraus sehr viele neue Dinge entstanden sind. Außerdem haben wir einen Veranstaltungs- und Ausstellungsort, eine künstlerische Heimat sozusagen, in das wir im März nach seiner Renovierung zurückkehren. Im Obergeschoss werden wir auf knapp 900 Quadratmetern Ausstellungen zeigen und Veranstaltungen durchführen können. Das ist mit Sicherheit unser großes Potenzial. Ich freue mich schon sehr auf viele hervorragende Ausstellungen.

Stichwort künstlerische Heimat. Wie einfach oder schwierig ist es für junge Künstler*innen in Wien Fuß zu fassen und eine künstlerische Heimat zu finden?

Es ist mit Sicherheit nicht einfach. Während des Studiums auf der Akademie oder der Angewandten wird man noch begleitet, manche werden gleich danach auch direkt abgeholt. Weil es aber sehr viele Studierende gibt, werden viele nicht abgeholt. Und obwohl man nach der Uni noch eine gewisse Kraft anzufangen und selbst durchzustarten in sich trägt, kommt dann bei vielen eine Phase, wo man sich vielleicht nicht mehr ganz verstanden fühlt. Man erreicht einen Punkt, an dem man nicht mehr weiß wie es weitergeht. Das ist ein Thema, das ich persönlich sehr wichtig finde, das uns aber natürlich auch im Künstlerhaus weiterhin stark beschäftigen wird. Junge Künstler*innen sollen bei uns andocken und vielleicht auch eine künstlerische Heimat finden können. Wir möchten, dass sie auch nach ihrem Studium Austausch erleben und sich mit anderen künstlerischen Standpunkten auseinandersetzen können, quasi einen postakademischen Bereich finden. Das ist etwas, auf das ich in dieser neuen Phase des Künstlerhauses schon einen gewissen Fokus legen werde. In der Factory, die es vorher in dieser Weise nicht gab, möchten wir dafür einen Ort schaffen. Also einen gedanklichen, aber auch einen tatsächlichen Raum, wo Austausch, Diskurs, Diskussion und Information stattfinden können. Immer zeitaktuell und auf aktuelle Strömungen bezogen. Und das nicht nur in künstlerischem und kulturellem Sinne, sondern auch in Hinblick auf soziale, politische und gesellschaftliche Komponenten. Gerade das Künstlerhaus kann dieser Ort sein, der Heimat bietet und wir möchten unsere Türen deshalb auch für Bildungsinstitutionen öffnen und zur Zusammenarbeit aufrufen. Und natürlich auch die jungen Künstler*innen abholen und sie dazu einladen, mit uns in einen Dialog zu treten.

Am 6. und 7. März 2020 findet das große ReOPENING des Künstlerhauses am Karlsplatz statt. Große Empfehlung!

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